Schwarz wie der Teufel

Ist Kaffee ungesund?

„Schwarz wie den Teufel“, so wollte der französische Diplomat Talleyrand seinen Kaffee. Das hatte er mit seinem Feind Napoleon gemeinsam, der sagte, „schwarzer Kaffee, und zwar reichlich davon, weckt mich auf. Er gibt mir Wärme, eine ungewohnte Kraft, einen Schmerz, der nicht ohne Lustgefühl ist“. Friedrich der Große bekämpfte den Kaffee eine Weile als Gift für die preußische Wirtschaft, gab sich aber schließlich geschlagen und ließ sich den Kaffee häufig mit Champagner anstatt mit Wasser zubereiten. Voltaire soll bis zu fünfzig Tassen am Tag getrunken haben, ohne daran zu sterben. Woraus man als kleinsten gemeinsamen Nenner schließen mag, dass Kaffee nicht giftig ist – wenigstens damals.

Mineralstoffe und Vitamin B

Ob Kaffee nun eigentlich gesund, neutral oder schädlich ist, darüber streiten die Experten seit Jahrzehnten. Fest steht, dass beim Rösten Niacin bzw. Vitamin B3 gebildet wird. Rund 0,8 mg gibt es durchschnittlich pro Tasse. Das ist aber kein zwingender Grund, Kaffee zu trinken, denn in den Industriestaaten kommt ein Niacinmangel kaum vor. Trotzdem könnte der Niacin-Gehalt des Kaffees ein Grund dafür sein, weshalb viele Raucher besonders gerne Kaffee trinken. Raucher haben nämlich einen erhöhten Niacinbedarf.

Von Mineralstoffen enthalt Kaffee nennenswerte Mengen Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor. Kaffeeöle, die allerdings zu 80 Prozent vom Filter zurückgehalten werden, erhöhen die Konzentration des schädlichen LDL-Cholesterins. Der bekannteste Inhaltsstoff des Kaffees, das Koffein, wirkt mit einer Verzögerung von 20 bis 30 Minuten anregend aufs Zentralnervensystem und stimuliert merklich die Darm- und Blasenfunktion – vermutlich der Grund, weshalb in Deutschland alle Cafés lange Zeit mit einem WC ausgerüstet sein mussten. Schwangere sollten mit Kaffeegenuss zurückhaltend sein; es gibt Hinweise, dass Kaffee die Bauchspeicheldrüse des Kindes schädigen kann; mehr als vier Tassen Kaffee täglich senken eventuell das Geburtsgewicht des Kindes. Und dänische Untersuchungen des Universitätskrankenhauses in Aarhus an 18.000 Schwangeren deuten darauf hin, dass acht Tassen Kaffee täglich das Risiko einer Totgeburt verdoppeln.

Viele Wirkungen bleiben rätselhaft

Dennoch: Bei Durchsicht der zahlreichen Meldungen zu den gesundheitlichen Wirkungen von Kaffee scheinen die positiven Meldungen zu überwiegen. Wer zum Beispiel zu den Kaffee-Vieltrinkern gehört, der muss sich nicht nur mit dem erlauchten Vorbild Voltaires trösten. Tatsächlich senkt Kaffee auch die Harnsäurewerte im Blut und bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, an einem Leiden der Gallenblase zu erkranken. Vieltrinker, die mehr als sieben Tassen täglich schlucken, haben nur die Hälfte des Diabetesrisikos von Kaffeetrinkern, die es mit zwei Tassen bewenden lassen. Am Koffein kann das allerdings nicht liegen, denn dieses sorgt für eine reduzierte Glucoseaufnahme der Körperzellen. Die Forscher, die die holländische Typ-II-Diabetes-Studie mit über 17.000 Teilnehmern durchführten, rätseln. Auch Forscher der Harvard-Schule für öffentliche Gesundheit in Boston kamen zu positiven Ergebnissen hinsichtlich Altersdiabetes. Die Daten von 126.210 Probanden legten den Schluss nahe, dass Kaffeetrinker ihr Risiko, an Zucker zu erkranken, um rund die Hälfte senken können, wenn sie täglich mehr als sechs Tassen Kaffee trinken.

Ebenso rätselhaft ist eine andere Wirkung des Kaffees: Er verbessert die Leberwerte (gamma-Glutamyltransferase und Aminotransferase) bei Alkoholkonsum. Wer also dem Alkohol frönt, sollte parallel größere Mengen Kaffee trinken. Eine Studie mit über 10.000 Japanern zeigte: Je mehr Alkohol die Befragten tranken, desto stärker die Schutzwirkung des Kaffees. Vielleicht gleicht das ja auch die potenzhemmende Wirkung des Alkohols aus. Bei einer Studie der Universität Michigan erwies sich Kaffee als erotisch stark stimulierend, vermutlich wegen der generell anregenden Wirkung auf Nervensystem, Herz und Kreislauf. Sogar die Spermien werden dadurch flotter. Apropos Leberschutz: Im Februar 2005 veröffentlichte das US-Krebsinstitut eine japanische Studie mit anhand von 90.452 Probanden belegt, dass regelmäßiger Kaffeegenuss das Risiko eines Leberkrebses um mehr als 50 Prozent senkt. Eine gleichfalls gute Nachricht kam im September 2022 von der European Society of Cardiology: Der Genuss von zwei bis drei Tassen Kaffee pro Tag sei mit einer längeren Lebenserwartung und einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden als der Verzicht auf Kaffee. Die Ergebnisse galten für gemahlenen, löslichen und entkoffeinierten Kaffee.

Gute Nachrichten für die Seele

Eine sympathische Meldung erreicht uns aus dem Land der leidenschaftlichen Espressotrinker: Die italienischen Universitäten Pavia und Ancona konnten eine kariesschützende Wirkung des Kaffees feststellen, vermutlich wegen der Verbindung “Trigollin”, die zum Aroma des Kaffees beiträgt und es den Bakterien schwer macht, sich am Zahn festzuhalten. Schützend wirken auch die farbgebenden Inhaltsstoffe im Kaffee, die so genannte Melanoidine. In verschiedenen Studien konnten Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen nachweisen, dass die Farbstoffe aufgrund ihrer antioxidativen Eigenschaften die Sauerstoffversorgung in den Zellen positiv beeinflussen. In größeren Mengen senkt der Stoff somit auch das Krebsrisiko. Das gilt vermutlich auch für die Gefahr, an Altersdiabetes zu erkranken.

Solche Meldungen tun der Seele gut, wie Kaffee scheinbar generell. Nicht umsonst sind die selbstmordgefährdeten Skandinavier – wohl aus Selbstschutz – die leidenschaftlichsten Kaffeetrinker. Denn Kaffee macht gute Laune. Wie Licht hebt er den Serotoninspiegel im Gehirn. Die anregende Wirkung des Kaffees kann aber nicht nur am Koffein liegen; denn Tests mit entkoffeiniertem Kaffee kommen teilweise zu ähnlichen Ergebnissen. Es ruht also noch ein weiteres Geheimnis in der braunen Bohne.

Vorsicht bei Rheuma

Widerlegt ist die These, Kaffee entwässere den menschlichen Organismus. Ein Forscherteam am „Center for Human Nutrition University of Nebraska Medical Center“ in Omaha/USA fand heraus, dass es keinen Unterschied in der Flüssigkeitsbilanz von Erwachsenen macht, ob sie ihren Flüssigkeitsbedarf über verschiedene Getränke (bei denen kein reines Wasser enthalten war) oder Getränke unter Einbeziehung von Wasser zu sich nahmen. Mit anderen Worten – für den menschlichen Flüssigkeitsbedarf ist Kaffee so gut wie Wasser – oder, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung – Kaffee beeinflusst den Flüssigkeitshaushalt mittelfristig allein durch die mit dem Getränk zugeführte Wassermenge.

Schlechte Nachrichten gibt es nur für Rheumatiker. Zwei große finnische Studien belegen ein erhöhtes Risiko für Gelenkrheumatismus bei Kaffeekonsum. An einer der Studien beteiligten sich über 15 Jahre hinweg 19.000 Menschen. Dabei zeigte sich, dass Gelenkentzündungen doppelt so häufig auftraten, sobald Menschen vier oder mehr Tassen Kaffee tranken. Eine zweite Studie mit 7.000 Teilnehmern stützte diese Ergebnisse: Wurden elf oder mehr Tassen täglich getrunken, trat 15-mal häufiger Rheuma auf. Die Autoren rund um das nationale Gesundheitsinstitut in Helsinki vermuten insbesondere in ungefiltertem Kaffee einen noch unbekannten Inhaltsstoff, der die Produktion des Rheumafaktors auslöst. Dieser könne dem Auftreten des Gelenkrheumatismus um Jahre vorausgehen und führe so zwangsläufig zu einem erhöhten Risiko.

Acrylamid? Muss wohl sein

Etwas ruhiger ist es beim Thema Acrylamid geworden, obwohl der wasserlösliche Stoff als krebsverdächtig und erbgutverändernd gilt. Acrylamid entsteht bei starker Erhitzung von kohlenhydratreichen Lebensmitteln, also auch beim Rösten von Kaffee. Das „Öko-Test“-Magazin entdeckte die Krebs-erregende Substanz in einem in allen analysierten Kaffeesorten. Fast alle Röstkaffees enthielten dort mehr als das von den Öko-Testern festgelegte Limit (einen verbindlichen Grenzwert gibt es nicht). Gänzlich vermeiden lasse sich Acrylamid wohl nicht, wenn Kaffee seine Eigenschaften behalten solle, so das Magazin, das darauf einzelne Sorten immer noch mit „gut“ bewertete – und das Bonner Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bilanzierte: „Die Grenzen der technologisch realisierbaren Minimierung sind erreicht.“ Dennoch warf die Verbraucherorganisation foodwatch den Herstellern und Behörden vor, Tausende von vorliegenden Messwerten geheim zu halten. Der schwedischen Lebensmittelbörde zufolge erhöhen Verbraucher, die mehr als einen Liter Kaffee pro Tag trinken, ihre Aufnahme von Acrylamid ganz erheblich. Ein starker Kaffeetrinker, der ungefähr einen Liter Kaffee pro Tag trinkt, nehme ca. 25 µg Acrylamid pro Tag auf. Der Infodienst Verbraucherschutz-Ernährung-Landwirtschaft empfiehlt deshalb, „den Kaffeekonsum auf zwei bis drei Tassen pro Tag zu begrenzen“.

Fazit

Professor Peter Kistler vom Baker Heart and Diabetes Research Institute, Melbourne, Australien, fasste den Stand der Erkenntnisse so zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass man nicht davon abraten sollte, mäßige Mengen von Kaffee aller Art zu trinken, sondern dass dies ein herzgesundes Verhalten ist.“

Dies gilt umso mehr, wenn man bei niedrigen Temperaturen gerösteten Kaffee trinkt, so wie er vorwiegend von kleinen Röstereien kommt. Großröstereien müssen aus wirtschaftlichen Gründen bei hohen Temperaturen bis 260 Grad rösten. Es bleibt also beim Kaffee letztlich bei der guten alten Wahrheit, dass die Menge das Gift macht. Dann aber ist die Frage nach gesund oder ungesund ohnehin die falsche. Angemessener wäre die nach der Qualität der angebotenen Ware.

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